Kino vs. Streaming

Ist Streaming der jüngste Hype, der das grosse Kino verdrängt?

Manchmal tönt es fast so. Doch wenn man näher hinschaut, zeigt sich: Werbetreibende können beim Kino mit seiner herausragenden Kontaktgarantie mehr denn je auf eine einzigartige Qualität und Sicherheit zählen. Streaming gibt es seit bald fünfzig Jahren, und auch die populäre Anwendung übers World Wide Web ist schon seit gut einer Generation Realität: Bereits 1994 waren zum Beispiel die Rolling Stones übers Internet zu hören. Das Ende der Konzerttourneen war das aber beileibe nicht. Auch eine Generation später strömen Menschen in aller Welt erwartungsfroh in Hallen und Stadien, um dem grossen Konzerterlebnis live beizuwohnen.

Gemeinsame Erlebnisse sind durch nichts zu ersetzen

Auch die Kinowelt ist nicht stehen geblieben. Digitalisierte Programmierungen und Multiangebote in den Ballungszentren beispielsweise helfen mit, dass täglich ein weites Spektrum an Emotionen gemeinsam erlebbar ist. Praktisch überall dort, wo sich das grosse Sozialleben zusammenfindet. On-Demand-Angebote in den eigenen vier Wänden und verbindende Gruppenerlebnisse im Kinosaal schliessen sich nicht aus. Im Gegenteil. Sie ergänzen sich vielmehr. Dabei bildet sich eine nachhaltige Dualität heraus, wie etwa der deutsche «Tagesspiegel» hervorhob. So betonte er unter dem Titel «Hollywood und Streaming: Das Kino bleibt auch in Zukunft unersetzlich»: «Es wächst eine Generation heran, in deren Verständnis sich Filme und Serien, Kinos und Streaming nicht ausschliessen. Dies wird übrigens nicht nur von den Medien beobachtet, die vielleicht mehr von der klassischen Seite kommen. Auch die an sich eher im Home-Bereich angesiedelte Plattform Ingame kommt zum Schluss: «Streamingdienste mit Kinos zu vergleichen ist, als würde man Äpfel mit Birnen vergleichen. Filmfans sind sich einig darüber, dass es sich dabei um zwei völlig verschiedene Dinge handelt.»

Serien fordern primär das Fernsehen heraus

Streaming läuft stark über Abos und funktioniert als substanzielles Geschäft nur über die Masse. Sprich über Serien. Dies wurde kürzlich einmal mehr von «Media Perspektiven» bestätigt: «Serien sind für VoD-Plattformen weiterhin die wichtigsten Inhalte.» Serien treffen als Konkurrenz viel eher das Fernsehen als das Kino. Zur Veranschaulichung: James Bond, der wohl regelmässigste Kinoheld, trat in 60 Jahren in 25 Filmen in Erscheinung. Die Seifenoper «Gute Zeiten, schlechte Zeiten» zeigte demgegenüber in den letzten 30 Jahren über 7000 Episoden. Der Verdrängungskampf im Wohnzimmer ist also sicher härter als der zwischen den verschiedenen Betrachtungsstätten – wobei sich auch die Bewegtbild-Kollegen vom TV durchaus zu wehren wissen. So wurde TV bereits vor 20 Jahren totgesagt und lebt immer noch.

Ausgang immer noch beliebter als Lockdown

Fürs Kino ist entscheidend, dass die Menschen Erlebnisse über die eigenen vier Wände hinaus suchen. Dieses Bedürfnis ist zeitlos, wie sich gerade in Corona-Zeiten gezeigt hat. Der Mensch ist über alle Generationen hinweg ein soziales Wesen. Kein Mensch sagte: «Wir könnten den Lockdown eigentlich locker weiterführen, wir haben ja Streaming.» Der «S & L Research» untermauerte die Gemütslage Mitte 2021 denn auch mit eindrücklichen Zahlen: «Ich vermisse es gar nicht, ins Kino gehen zu können: 3 Prozent»; «Ich vermisse es sehr, ins Kino gehen zu können: 47 Prozent». Volle 90 Prozent waren auf der der mehr oder weniger ausgeprägten Seite der Vorfreude.

«Vom einzigen Ort zum besten Ort»

Solange Menschen auf der Suche nach Erlebnissen sind, die über das Alltagsleben hinausragen, ist und bleibt grosses Kino ein Höhepunkt. Die Exklusivitätszeitfenster mögen kürzer werden oder zum Teil sogar verschwinden. Aber weder Filmstudios noch Zuschauerinnen und Zuschauer, noch Werbetreibende wollen sich die Top-Option nehmen lassen. In der «NZZ Format»-Doku über die Zukunft des Kinos von Reto Caduff fällt nicht zufällig die folgende Aussage: «Wenn man die Leute fragt, welches die Filme sind, die den stärksten Eindruck auf sie gemacht haben, würden fast zu 100 Prozent Filme kommen, die die Leute im Kino gesehen haben und nicht irgendwie auf dem iPad oder zu Hause.» Und als prägnantes Fazit: «Mit Fernseher, VHS, DVD und jetzt dem Computer hat sich die Rolle des Kinos vom einzigen Ort, an dem man einen Film schauen kann, verschoben zum besten Ort, an dem man einen Film schauen kann.»

Bewusst gewählt macht Kontaktgarantie wertvoller denn je

Was bedeuten die beschriebenen Entwicklungen für Werbetreibende? Der Werbefranken findet im Kino mehr denn je die optimale Aufmerksamkeit! Die klassischen Vorteile der grossen Bühne und der packenden Stimmung bleiben. Während der bewusste Entscheid der Zuschauerinnen und Zuschauer, trotz eventuell anderer Betrachtungsmöglichkeiten ins Kino zu gehen, die Wahrnehmungssicherheit sogar noch erhöht: Durch die Abrechnung nach effektiven Kontakten riskieren Werbetreibende so oder so nichts – und wenn Kino mehr denn je der Ort für Menschen ist, die gezielt etwas unternehmen und das Beste suchen, umso wertvoller.

*Text von Christof Kaufmann, CEO Weischer.Cinema Schweiz, erschienen im persönlich 01/02 im Rahmen der IGEM-Kolumne.